Zur zweiten Verhandlungsrunde für einen neuen Tarifvertrag TV FFS am 15. November haben die beiden Gewerkschaften BFFS und ver.di mit einer gemeinsamen Demonstration vor dem Verhandlungsort in Berlin-Tempelhof das Verhandlungsteam der Produzentenallianz begrüßt. Nicht nur auf Transparenten und Schildern wurden die gewerkschaftlichen Forderungen präsentiert, es gab diese auch kurz und knackig auf Kekse gebacken, damit sich die Produzent*innen damit auch beim Sitzungskaffee befassen konnten. Gut 50 Kolleg*innen aus den Gewerken Schauspiel, Ton, Kamera, Beleuchtung, Maske, Regie und Produktion hatten sich auch vom Novemberwetter nicht abhalten lassen und die Geschäftsführung der Produzentenallianz und Vertreter*innen der großen deutschen Produktionsfirmen auf die Forderungen zur Vier-Tage-Woche, Einführung der branchenweiten Pensionskassen-Regelung und die Eindämmung des KI-Einsatzes angesprochen.
Branchenweite Pensionskasse Rundfunk
In der dann anschließenden zweiten Verhandlungsrunde wurde von den Tarifparteien mit Vertreter*innen der Pensionskasse Rundfunk darüber beraten, wie eine branchenweite betriebliche Altersversorgung auch außerhalb von Produktionen im Auftrag öffentlich-rechtlicher Sender ausgestaltet und eingeführt werden kann.
Vier-Tage-Woche
Das zweite große Thema waren die recht unterschiedlichen Vorstellungen zu einem neuen Arbeitszeitmodell. Eine Vier-Tage-Woche fordern die Gewerkschaften bei voller Wochengage und mit bis zu elf Stunden täglicher Maximalarbeitszeit. Die Produzenten schilderten ihre Vorbehalte gegen eine solche Tarifregelung und die Konstellationen, in denen schon in Einzelfällen Produktionen mit vier statt fünf Drehtagen pro Woche durchgeführt wurden.
KI-Einsatz Thema der nächsten Verhandlung
Die Tarifrunde wird am 4. Dezember in Berlin fortgesetzt, Hauptthema wird dann die Eindämmung des Einsatzes von generativer Künstlicher Intelligenz in deutschen Filmproduktionen sein.
Die Tarifforderungen im Einzelnen:
· Arbeitszeitverkürzung
Es soll eine Vier-Tage-Woche mit 40 Stunden gelten, die mit der aktuellen Wochengage zu vergüten ist (voller Lohnausgleich). Die Tageshöchstarbeitszeit soll auf elf Stunden begrenzt werden. Für die elfte Tagesstunde soll ein Überstundenzuschlag von 50% gelten.
· Zuschläge
Die Verrechnung von Zuschlägen jeder Art soll generell unzulässig sein.
Die Wochenend- und Feiertagszuschläge sollen in folgenden Höhen gelten: Sonnabend 50%, Sonntag 100%, Feiertage 100%. Diese Zuschläge sollen unabhängig vom Produktionskalender immer bezahlt werden, egal auf welchen Tag der Produktionswoche ein Wochenend- oder Feiertag fällt. Die Wochenend- und Feiertagszuschläge sollen ab vier anfallenden Stunden für den ganzen Arbeitstag bezahlt werden, anderenfalls sollen die Zuschläge zeitanteilig gezahlt werden. Für jeden Sonn- und Feiertag an dem gearbeitet wurde, soll als Ausgleich weiterhin ein bezahlter Urlaubstag gewährt werden.
Feiertage sollen die gesetzlichen Feiertage am Arbeitsort sein, zuzüglich Ostersonntag, Pfingstsonntag, Heiligabend und Silvester.
Nachtzuschläge sollen folgendermaßen gelten: Von 20:00 bis 24:00 Uhr 50% und von 0:00 bis 6:00 Uhr 100%. Fallen mehr als vier Stunden Nacharbeit an, soll die Arbeit, die über 6:00 Uhr hinausgeht, weiterhin mit 100% Zuschlag vergütet werden.
· Pausen
Die Pausen-Regelung soll umformuliert werden, um anwendungsfreundlicher zu sein.
· Fahrtzeit
Die tägliche An- und Abfahrt zum/vom Arbeitsplatz soll bezahlte Arbeitszeit sein. Fahrzeiten sollen nicht als Ruhezeiten gelten. Bei Dienstreisen sollen auch auf Reisezeiten Zuschläge gezahlt werden.
· Urlaub
Dem Grundsatz nach soll der Jahresurlaub auf 30 Tage im Jahr erhöht werden. Dazu sollen für je sechs Beschäftigungstage 0,5 Tage Urlaubsanspruch entstehen.
Für Beschäftigungsverhältnisse ohne entstehenden Urlaubsanspruch (bei tageweiser Beschäftigung bzw. für Zusatzpersonal) wird die Grundgage um 10% erhöht.
Feiertage im angehängten Urlaub sollen bezahlt werden. Was eine Klarstellung des status quo ist.
Aus geleisteten Überstunden soll auch ein Urlaubsanspruch entstehen, indem ein Zeitkonto-Guthaben entsprechend anwächst.
· Work-Life-Balance
Jede Woche soll ausnahmslos zwei zusammenhängende Ruhetage haben (48+11 Stunden).
Es soll ein verbindlicher Arbeitszeitplan gelten, der jeweils am Sonnabend für die kommende Arbeitswoche mitgeteilt wird. Abweichungen davon sollen nachträglich nur mit einzuholender Zustimmung der/des Filmschaffenden ermöglicht werden. Wochenend- und Nachtarbeit sollen langfristig angekündigt werden und der Zustimmung des/der Filmschaffenden bedürfen. Pauschale Zustimmungen im Arbeitsvertrag sollen ungültig sein.
· SV- und Vertragspflichten
Unabhängig von der Beschäftigungsdauer soll ein Arbeitsvertrag, wenn von dem/der Filmschaffenden gewünscht, immer auf mindestens sieben sozialversicherungspflichtige Tage (volle SV-Woche) geschlossen werden. Eine angebrochene Woche soll auf sieben sozialversicherungspflichtige Tage erstreckt werden können.
Arbeitsverträge müssen schriftlich vor Beschäftigungsbeginn abgeschlossen werden, was eine Klarstellung des status quo darstellt.
· Gender Pay Gap verhindern
Vertraulichkeitsklauseln dazu, über die Höhe der eigenen Gagen und Vergütungsbestandteile im Team Stillschweigen zu bewahren, sollen in Arbeitsverträgen unzulässig sein.
· Betriebliche Altersvorsorge
Es soll ein Tarifvertrag zur betrieblichen Altersversorgung abgeschlossen werden, mit dem Regeldurchführungsweg in der Pensionskasse Rundfunk. Dies soll zur Erweiterung der Beitragspflicht zur Pensionskasse Rundfunk für alle Filmproduktionen führen, die unabhängig vom jeweiligen Auftraggeber des Filmprojekts gelten soll.
· Job-Sharing
Filmschaffende sollen auf eigenen Wunsch in Teilzeit und ggf. im Jobsharing-Modell mit einer/m weiteren Filmschaffenden arbeiten können. Die Arbeitgeberseite muss sich solchen Arbeitszeitmodellen öffnen, um familienfreundliches Arbeiten zu ermöglichen und damit den gesetzlichen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung auch in Filmproduktionen umzusetzen.
· Allgemeinverbindlichkeit
Der neu abgeschlossene Manteltarifvertrag soll allgemeinverbindlich werden, das AVE-Verfahren soll gemeinsam beantragt werden. Damit soll Tarifflucht und Tarifdumping durch Außenseiter entgegengewirkt werden.
Gemeinsame Forderungen zusammen mit dem BFFS:
· Erhöhung der Einstieggage
Die Einstiegsgage wurde seit 01.04.2020 nicht mehr erhöht. Die Einstiegsgage soll auf 1.200 € pro Drehtag steigen.
· Intimacy Coordinator
Intimacy Coordinator sollten künftig bei Intimitäts- und körpernahen Szenen zur Drehvorbereitung und -abwicklung hinzugezogen werden müssen. Eine tarifrechtliche Regelung soll das auch im Sinne des Arbeitsschutzes sicherstellen.
· Tarifrechtliche Verankerung der Themis Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt
Die Themis Vertrauensstelle sollte als überbetriebliche Beschwerdestelle tarifrechtlich anerkannt werden. Über die Themis Vertrauensstelle soll für Betroffene die Möglichkeit bestehen, Beschwerden gemäß § 13 AGG an das Produktionsunternehmen zu richten. Nach Prüfung der Beschwerde durch das Produktionsunternehmen ist das Ergebnis der Beschwerde der Themis mitzuteilen.
· Kostenregelung bei E-Castings
Die Durchführung von E-Castings und der damit verbundene Aufwand für teilnehmende Schauspieler*innen führt mit Blick auf die derzeitige Beschäftigungs- und Einkommenssituation für Schauspieler*innen zu wirtschaftlichen Belastungen, die nicht ausschließlich von den „Bewerber*innen“ zu tragen sind. Dazu braucht es eine tarifrechtliche Verbesserung.
· Verankerung von KI-Vorsichtsmaßnahmen
Schauspieler*innen brauchen für die Phase, in der die Politik noch keine Regelungen für den Umgang mit KI getroffen hat, tarifliche Vorsichtsmaßnahmen, die sicherstellen, dass - vorerst - das Aussehen, die Stimme, die Darbietung von Schauspieler*innen in Film und Fernsehen nicht dazu verwendet werden dürfen, um damit:
a) diese Schauspieler*innen künstlich zu animieren oder
b) Systeme künstlicher Intelligenz zu trainieren.
Von diesem Grundsatz sollte nur und erst dann abgewichen werden können,
c) wenn BFFS, ver.di und Produzentenallianz kollektivvertragliche Mindeststandards vereinbart haben,
d) die betreffenden Schauspieler*innen zur Verwendung ihres Materials eingewilligt haben und
e) sie dafür Vergütungen erhalten, die diese Mindeststandards nicht unterschreiten dürfen.
Mehr und besser!
Je mehr Filmschaffende Mitglied der ver.di FilmUnion werden, desto besser für alle und für jede und jeden Filmschaffende selbst. Die Ansprechpartner*innen an den Filmstandorten unterstützen bei Fragen und Konflikten um den Arbeitsvertrag und helfen bei der Durchsetzung der erreichten Tariferfolge. Für Mitglieder ist Rechtsberatung und Rechtschutz im Beitrag enthalten. Gemeinsam erreichen Filmschaffende in der ver.di FilmUnion mehr - je mehr Filmschaffende Mitglied werden, desto besser.
Du bist Filmschaffende*r und hast Fragen zum Vertrag oder Tarif?
Mitglieder der ver.di-FilmUnion müssen nicht warten, bis wir ans Filmset kommen. Kontaktiere uns! Wir prüfen, ob der Arbeitsvertrag korrekt ist, beraten und unterstützen bei Problemen. Verträge können uns auch eingeschickt werden. Wir prüfen sie auf arbeitsrechtliche und tarifliche Anforderungen hin und geben dazu umgehend eine Rückmeldung. Persönliche Daten bleiben selbstverständlich Dritten gegenüber stets geschützt.
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