Wir klären auf

Erhöhte Mindestgagen bei Netflix-Serien

27.07.2022

27. Juli 2022

Ab Juli gelten für Serienproduktionen im Auftrag von Netflix für Berufserfahrene höhere Mindestgagen als im Tarifvertrag FFS, für Regisseur*innen gelten Gagenuntergrenzen auch für Berufsneulinge.

Zwischen dem Streamingdienst Netflix und ver.di wurde in einem team-agreement mit Wirkung ab dem 1. Juli 2022 vereinbart, dass der branchenweite Tarifvertrag für Filmschaffende (TV FFS) ungeachtet der Tarifbindung der beauftragten Produktionsfirma als Vertragsgrundlage dienen soll. Dies wirkt der Tarifflucht von Produktionsfirmen entgegen, die damit für die recht hoch budgetierten Serienproduktionen nicht die geltenden Mindestbedingungen aus dem TV FFS umgehen können.

Erhöhte Mindestvergütung

Außerdem wurde für die Produktionsfirmen, aber vor allem für alle Filmschaffenden in der Crew „hinter der Kamera“ sowie Pre- und Postproduction vereinbart, dass bei Budgets von 1,2 bis 2,5 Mio. Euro je Serienepisode die Mindestvergütung für berufserfahrene Filmschaffende um 5 Prozent höher als in der Gagentabelle des TV FFS liegt. Bei noch höherem Budget liegt die erhöhte Mindestvergütung bei 7,5 Prozent. Berufserfahrene sind demnach diejenigen Filmschaffenden, die bereits fünf Jahre in ihrer Team-Position gearbeitet haben. Selbstverständlich gilt immer noch die darüber hinaus branchenübliche Praxis, höhere individuelle Gagen zu vereinbaren, allerdings dann eben auf Grundlage nicht nur des Tarif- sondern des hier erhöhten Mindestvergütungsniveaus.

Mindestvergütung für Regisseur*innen

Ebenso wurde in dem team-agreement eine nach Budget für 45-minütige Serienepisoden gestaffelte Mindestvergütung für Regisseur*innen festgelegt. Ab 1,35 Mio. Euro Budget sind dies 34.000 Euro, ab 1,8 Mio. Euro Budget 38.000 Euro, ab 2,5 Mio. Budget Euro 42.000 Euro und ab 3,6 Mio. Euro Budget dann mindestens 46.000 Euro. Wohlgemerkt je Episode und ungeachtet der Berufserfahrung auch für Erstlinge. Dazu kommen dann die Zusatzvergütungen wie für alle Urheber*innen, die seit 2020 von der Gemeinsamen Vergütungsregel (GVR) zwischen Netflix, BFFS und ver.di profitieren. Diese gewährleistet Nutzungsvergütungen für nicht sehr erfolgreiche Serien und Zusatzvergütungen bei bestimmten Erfolgsfällen, für die die globale Auswertung der Serien ausschlaggebend ist. Übrigens fallen dafür keine Verwaltungskostenabzüge an, sondern das Geld fließt ungeschmälert an die Urheber*innen.

Damit hat ver.di für Regisseur*innen die höchsten Grundvergütungen, gemessen an den gültigen Regelungen, die der BVR bisher abgeschlossen hat, für das Gewerk Regie verhandeln und erreichen können. Außerdem gilt auch für Regisseur*innen, dass die individuellen Gagen branchenüblich höher vereinbart werden als die Mindestvergütungen, die eine nicht zu unterschreitende Untergrenze darstellen. Alles andere wäre unangemessen niedrig und würde die erfolgversprechende Möglichkeit von konkreten Nachbesserungsklagen eröffnen.

Nächster Schritt: Qualifizierungsdialog zwischen ver.di und Netflix

Filmschaffen ist Teamarbeit, international erfolgreiche Serien mit deutschen Teams sind eine Gesamtleistung, die von vielen hochprofessionellen Teammitgliedern abhängt. Außerdem gibt es einen allgemein bekannten Fachkräftemangel. Dem wollen Netflix und ver.di durch einen Qualifikationsdialog begegnen. Miteinander soll erörtert und verabredet werden, wie auf verschiedenen Teampositionen Nachwuchs und Erfahrene besser qualifiziert, damit auch höherwertig einsetzbar sind und auch vergütet werden können. Dazu sollen auch aus internationalen Produktionen bekannte sogenannte shadowings als „trainings on the job“ dienen, die anders als die beklagenswerten Praktika und Trainee-Einsätze nicht als Billigkraft am Set gelten sollen.

Kritik von Berufsverbänden

Anders als beispielsweise die Schauspielgewerkschaft BFFS, die sich anerkennend zu dem team-agreement äußert, kommt von einzelnen Berufsverbänden, die nur ihr eigenes Gewerk innerhalb der gesamten Crew im Blick haben, Kritik an dem team-agreement. Die Kritik wird beispielsweise vom BVR offenbar aus einem Rechtsfertigungsdrang gespeist, selbst nicht zu erfolgreichen Abschlüssen mit dem Streamingdienst Netflix gekommen zu sein. Ein Großteil der gegen ver.di gerichteten Verärgerung ist wohl als ein Verpassen eigener Chancen zu verstehen. Materiell ist die Kritik unberechtigt, denn in keiner vom BVR erreichten GVR ist es dem Berufsverband - trotz eines nur auf den eigenen Beruf gerichteten Interesses - gelungen, bessere Regievergütungen zu verhandeln. Alle Vereinbarungen des BVR für Serien mit privatwirtschaftlichen oder öffentlich-rechtlichen Sendern sehen (teils deutlich) geringere Regiegagen vor und auch die Gagenregelung für Kinoproduktionen sieht bezogen auf die üblicherweise nicht 45 Minuten sondern meist mehr als 90 Minuten betragende Spielfilmlänge eine (auch nach Budgetsummen gestaffelte) nur knapp halb so hohe Regievergütung vor. Wohlgemerkt als Regelvergütung, denn für Berufsanfänger*innen wird vom BVR sogar eine jeweils eine Stufe niedrigere Regiegage festgelegt.

Mit dem Abschluss des team-agreements wird die Sozialpartnerschaft der Filmgewerkschaft ver.di mit Netflix ausgebaut und der gemeinsam mit der Schauspielgewerkschaft BFFS umfassende Ansatz, möglichst für alle Gewerke gemeinschaftlich Verbesserungen der Produktionsbedigungen bei Netflix-Serien und -Filmen zu erreichen, erneut als das richtige Vorgehen bewiesen.


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