4. Juni 2018
Auf deutliche Tarifverbesserungen für die 25.000 Film- und Fernsehschaffenden, die für die Dauer von einzelnen Filmproduktionen angestellt werden, haben sich ver.di und die Produzentenallianz am 29. Mai 2018 geeinigt. Die Verhandlung hat ver.di zusammen mit den Kooperationsverbänden Berufsvereinigung Filmton (bvft) und Bundesverband Filmschnitt Editor (BFS) sowie der Gewerkschaft Bundesverband Schauspiel (BFFS) geführt. Der Durchbruch wurde in der vierten Verhandlungsrunde am 29. Mai in Berlin erreicht. Das wichtigste: mit dem Tarifergebnis wird die Tageshöchstarbeitszeit auf 12 Stunden begrenzt. Das Rosinenpicken einzelner Bestimmungen zur Arbeitszeit, ohne die dafür fälligen Zuschläge und Gagen zu zahlen, wird unterbunden. Auch nicht unwichtig: bis Ende 2020 steigen die Tarife in drei Stufen im Durchschnitt um 7,6 Prozent, ab September 2018 um 2 Prozent, mindestens aber um 30 Euro pro Woche, weitere 2,5 Prozent ab Juli 2019 und nochmal 2,25 Prozent ab April 2020.
„Mit der Tageshöchstarbeitszeit von 12 Stunden konnte ver.di ein seit Jahren verfolgtes Tarifziel durchsetzen und die Gagenerhöhungen liegen erneut deutlich über dem Branchendurchschnitt, auch weil wir uns mit der überproportionalen Erhöhung von 30 Euro durchsetzen konnten“, erklärte ver.di-Tarifsekretär Matthias von Fintel. „Ein weiterer Erfolg ist die Aufnahme von zehn weiteren Berufen in die Gagentabelle, die auch gleich von den vereinbarten Tarifsteigerungen profitieren. In nicht tarifgebundenen Filmproduktionen wird das Rosinenpicken erschwert. Auf die tariflichen Regelungen zur Arbeitszeit darf nur noch im Zusammenhang mit den geltenden Gagen und Zuschlägen Bezug genommen werden. Für Hochschul-Abschlussfilme bzw. Debutfilme verabredeten die Tarifparteien ein Regelwerk, wonach von der Budgethöhe abhängige Mindestgagen gelten, die mit den künftigen Erlösen solcher Filme aufgestockt werden müssen. Der gesamte Tarifabschluss hat eine Laufzeit bis Ende 2020. Zu diesen Verbesserungen im Tarifvertrag für Filmschaffende nun die detaillierten Erläuterungen.
Nachdem bereits im vorhergehenden Tarifabschluss fünf neue Berufe in die Gagentabelle aufgenommen worden waren, kommen nun sogar zehn weitere Berufe dazu: 2. Regie-Assistenz, Set AL-Assistenz, Oberbeleuchter, Lichttechniker, Lichtassistenz (mit Produktionserfahrung), 1. Kamerabühne, Kamerabühnen-Assistenz, Requisiten-Assistenz, 2. Ton- Assistenz und schließlich Sounddesign (soweit beim Produzenten angestellt). Außerdem wird die Innenrequisite in Setrequisite umbenannt. Diese neu aufgenommenen Berufe wurden zunächst mit anderen Berufen vergleichbaren Gagensätzen oder in dieser Tarifverhandlung neu bestimmten Gagen veranschlagt und werden mit allen anderen Gagen dann ab September 2018 erhöht. Sie finden sich ab dem Zeitpunkt in der Gagentabelle wieder.
Wie immer in Tarifverhandlungen – und so war es auch diesmal - geht es am heftigsten ums Geld. Für die ver.di FilmUnion war es wichtig, durch eine Mindesterhöhung eine überproportionale Anhebung für Tarifgruppen unter 1500 € pro Woche zu erreichen. So wurde im ersten Schritt ab September 2018 vereinbart, dass alle Gagenwerte um 2 %, jedoch mindestens um 30 € angehoben werden. Prozentual bedeutet das bspw. für einen Produktionsfahrer eine Erhöhung um 4 %, also doppelt so stark. Aber auch eine erst mit diesem Abschluss neu in die Gagentabelle aufgenommene Lichtassistentin, die mit der Vergleichsgage (wie 2. Schnitt-Assistenz) von 789 € anfänglich kalkuliert wurde, steigt nun gleich mit einer Gage von 819 € in die Tabelle ein. Danach steigen alle Gagen noch zwei Mal: um 2,5 % ab Juli 2019 und 2,25 % ab April 2020. Aufgrund des ersten Schritts lässt sich keine exakte Bewertung des Volumens dieses Tarifabschlusses machen, weil es ja in den einzelnen Produktionen eine unterschiedliche Anzahl von Filmschaffenden in den einzelnen Berufen gibt, die über oder unter 1500 € Wochengage liegen. Aber im Durchschnitt steigen die Gagenwerte in diesem Zeitraum um 7,6 %. Berücksichtigte man, dass es mehr Filmschaffenden gibt, die von der Mindesterhöhung von 30 € profitieren, dann kann sogar noch eine höhere Volumenauswirkung unterstellt werden. Die im Schauspieltarifvertrag geregelten Berufseinsteigergagen für Schauspielerinnen und Schauspieler steigen von derzeit 775 € am 1.9. 2018 auf 810 €, dann ab dem 1.7. 2019 auf 830 € und ab dem 1.4. 2020 auf 850 €. Die Laufzeit des Gagen-Abschlusses ist wie die des gesamten Tarifabschlusses bis Ende 2020. Einen Überblick gibt die Tariftabelle auf Seite 4, die neu aufgenommen Berufe sind darin gelb markiert.
Die Arbeitszeitregelungen werden mit diesem Tarifergebnis nochmal deutlich zugunsten der Filmschaffenden verbessert: Es wird geregelt, dass die Planung und tägliche Dauer der Drehzeit so einzurichten ist, dass für alle Filmschaffenden am Drehtag und Drehort eine tägliche Höchstarbeitszeit von 12 Stunden eingehalten werden kann. Diese Tageshöchstarbeitszeit darf nur in hochfrequenten Fernsehserien-Produktionen und nur an einem Tag jeder Kalenderwoche im gesamten Produktionszeitraum von 12 auf 13 Stunden verlängert werden. Auf diese Ausnahme haben die Produzenten für den Bereich der Daily-Produktionen vehement bestanden. Für den Großteil, nämlich alle anderen Kino-, Fernsehfilmproduktionen und Serien-Produktionen gilt aber die generelle 12-Stunden-Regel. Allerdings kann in den bisher schon geltenden Sondersituationen höhere Gewalt, nicht planbare Zwischenfälle, Massendreh und bei sehr eingeschränkter Motivverfügbarkeit auch länger als zwölf Stunden gearbeitet werden, das gilt wie bisher schon wohlgemerkt nur für einzelne Tage und immer nur mit Zustimmung der Filmschaffenden.
Es gibt Filmproduktionen, für die der Tarifvertrag nicht gilt, die allerdings in der Vergangenheit auf den Tarifvertrag Bezug genommen haben, zum Leidwesen der Filmschaffenden aber nur in sehr eingeschränktem Maße. Und zwar hauptsächlich, um als Filmproduzent die Arbeitszeitregelung anzuwenden. Damit allerdings im Arbeitsvertrag mit dem Filmschaffenden nicht nur die tariflich zulässige Arbeitszeit vereinbart wird, die damit verbundenen Zuschläge und Gagenhöhen jedoch nicht gewährt werden, wurde nun eine Klausel gegen das Rosinenpicken am Beginn der tarifvertraglichen Arbeitszeitregelung verabredet. Es wird klargestellt, dass die Bestimmungen unter dem gesamten Tarifvertragsabschnitt zu Arbeitszeit, Mehrarbeit, Zuschlägen und Pausen, arbeitsfreien Tagen und zur Gagenzahlung nur im Zusammenhang und in Verbindung mit dem Gagentarifvertrag eine zulässige Regelung für die Arbeitszeiten von Film- und Fernsehproduktionen darstellen. Einzelverträge, die einen Ausschluss einzelner Bestimmungen oder des Gagentarifvertrages zum Ziel haben, sind unzulässig. Deutlich günstigere Vereinbarungen zugunsten der Filmschaffenden bleiben aber immer zulässig.
ver.di konnte zudem vereinbaren, dass die sogenannte Limburger Lösung 2 in den Tarifvertrag aufgenommen wird. Damit ist die Zahlung der Beiträge für die Altersversorgung der Filmschaffenden in der Pensionskasse Rundfunk künftig nicht nur für Auftragsproduktionen von ARD und ZDF, sondern auch für Koproduktionen unter Beteiligungen dieser Sender verpflichtend. Im Tarifvertrag wird dazu klargestellt, dass die Limburger Lösung, zuletzt geändert am 1.12. 2017, in den arbeitsrechtlichen Auswirkungen zur Beitragspflicht und Beitragsabführung für Filmschaffende und Filmhersteller im Geltungsbereich des Tarifvertrages liegt.
Die Regelung zu den Abschluss- und Debütfilmen sieht ein zusätzlich abzuschließender Tarifvertrag vor, der zunächst bis Ende 2020 laufen und dann evaluiert werden soll. Danach gelten ab 750.000 € Budget mindestens 50 % Tarifgage, ab 900.000 € 65 % und ab 1,05 Mio. € 80 %. Filme, deren Budget über 1,2 Mio. € liegt, dürfen diese Ausnahme nicht anwenden. Der gesetzliche Mindestlohn ist in jedem Fall zu zahlen. Die Erträge aus den Debutfilmen werden an die beteiligten Filmschaffenden ausgeschüttet, um die Differenz zur Tarifgage aufzufüllen. Außerdem müssen die nach dieser Debutfilm-Regelung stattfindenden Produktionen bei der ver.di FilmUnion und den anderen Tarifpartnern angemeldet werden.
„Mit diesem Tarif für Debutfilme wollen wir den unhaltbar prekären Bedingungen bei Erstlingsfilmen zu Leibe rücken und uns vor Ende der drei Jahre anschauen, ob die Regelung zu Verbesserungen geführt hat. Sollte dies nicht der Fall sein, endet dieser Tarifvertrag ersatzlos“, erläuterte von Fintel.
Im Manteltarifvertrag wird der bisherige Satz „Für Darsteller rechnet das Herrichten zur Aufnahme bis zu einer Stunde nicht zur regelmäßigen Arbeitszeit.“ ersatzlos gestrichen. Die Vorbereitungszeiten zählen damit unumstritten zur Arbeitszeit.
Die Tarifparteien werden im Anschluss an den Tarifabschluss eine redaktionelle Bearbeitung beginnen, die bis Ende Juli 2020 abgeschlossen sein soll. Ziel ist, die Ergebnisse in die Verhandlung des ab dem 1.1. 2021 neu abzuschließenden Manteltarifvertrags aufnehmen zu können. Dafür werden von beiden Tarifparteien Mitglieder in eine Tarif-Arbeitsgruppe entsandt.
Wie bei jedem Tarifergebnis wird ein Tarifvertrag erst abgeschlossen, wenn die gewählten Gremien darüber entschieden haben. Der Tarifausschuss für Filmschaffende wird am 25. Juni darüber beraten. Die Erklärungsfrist zum Tarifergebnis läuft bis Ende Juni 2018.