Leitfaden für die tariflose Zeit bei Film- und Fernsehschaffenden

10.10.2024

Die Verhandlungen über den Tarifvertrag sind gescheitert. Der Kernpunkt des Scheiterns ist die Idee, alle vier Drehwochen eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich einzuführen

Hier ein Vergleich des TVFFS zur Gesetzeslage: 

 
Tabelle TVFFS zur Gesetzeslage 1
Tabelle TVFFS zur Gesetzeslage 2
Tabelle TVFFS zur Gesetzeslage 3
Tabelle TVFFS zur Gesetzeslage 4
FilmUnion

Warum gilt der Tarifvertrag für Film und Fernsehschaffende nicht mehr?

Die Verhandlungen sind gescheitert. Trotz der vielen wirklich tollen Verbesserungen, auf die wir und der BFFS uns mit der PA (Produktionsallianz) einigen konnten: Abschaffung der 13. Stunde, flächendeckende betriebliche Altersvorsorge, teilweise Wegfall der Verrechnung von Überstunden, Regelung von E-Castings, überfällige Anhebung der Einstiegsgage für Schauspieler*innen, etc. 

Der Kernpunkt des Scheiterns ist die Idee, alle vier Drehwochen eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich einzuführen. Nach mehreren Verhandlungsrunden hatte die fast vereinbarte Regelung mehr Nachteile als Nutzen.

Daher musste die Tarifkommission diesen harten Schritt gehen und akzeptieren, dass die Verhandlungen gescheitert sind.

Durch die schwierige Beschäftigungssituation dieses Jahr aufgrund der geringen Auftragslage konnten wir auch nicht durch Streiks genügend Druck aufbauen, um diese Regelung zu einer sinnvollen Verbesserung der Arbeit beim Film zu machen. 

Wir arbeiten intensiv daran, die bisher erreichten wichtigen Verbesserungen doch noch in einem neuen Tarifvertrag umzusetzen, aber mit einer sinnvollen Regelung für eine Vier-Tage-Woche alle vier Drehwochen.

Bis dahin muss jeder von uns Filmschaffenden bei neuen Verträgen alle Details des Arbeitsvertrages individuell verhandeln.

Gagen, Zuschläge, Entgeltfortzahlung oder Urlaub sind nur einige der Themen, die jetzt unter gesetzlichen Mindeststandards schlechter sind als im alten Tarifvertrag.

Was für Arbeitszeiten gelten jetzt?

Ohne einen gültigen Tarifvertrag für unsere Branche regeln jetzt die allgemeinen Bestimmungen des  Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) unsere Arbeitszeiten. Die besonderen Bestimmungen des TVFFS mit längeren Arbeitszeiten und dafür spezifischen Bedingungen für Ruhezeiten, Ruhetage und Zuschläge gelten nicht mehr. Damit darf an jedem Werktag nur noch 8 Stunden gearbeitet werden. Werktage sind alle Tage von Montag bis Samstag!

 Die tägliche Arbeitszeit kann aber auf bis zu 10 Stunden verlängert werden. Allerdings nur, wenn innerhalb von 6 Kalendermonaten im Durchschnitt 8 Stunden pro Tag nicht überschritten werden.

Das bedeutet, arbeitet man einen Tag 10 Stunden lang, muss man an einem anderen Tag zum Beispiel nur 6 Stunden arbeiten. Oder an zwei anderen Tagen 7 Stunden. Der Betrachtungszeitraum dafür ist das gesamte Arbeitsverhältnis bei einer Filmproduktion.

Das ergibt Wochenhöchstarbeitszeiten von 48 Stunden (6 Tage mit je 8 Stunden) oder auch bis zu 60 Stunden (6 Tage mit je 10 Stunden). Alles darüber hinaus ist arbeitszeitgesetzlich nicht erlaubt.

 Wie immer gilt: Bei konkreten Fragen und für rechtssichere Beratung wendet Euch an die ver.di FilmUnion Gewerkschaftssektretär*innen! https://filmunion.verdi.de/ueber-uns/kontakt

Sie können Euch bei der Vertragsberatung auch direkt unterstützen, während wir hier nur allgemeine Infos geben können

Welche Gagen und Zuschläge gelten jetzt?

Gagenhöhe

Grundlage für Zuschläge ist natürlich zunächst die vereinbarte Grundgage. Ohne TVFFS gilt auch die Gagentabelle aus dem Gagentarifvertrag nicht mehr verbindlich als Mindestgage. Das absolute Minimum ist der gesetzliche Mindestlohn von 12,41€ pro Arbeitsstunde.

Aber es gibt auch eine Regelung dazu, was für ein Lohn mindestens als angemessen gilt. Wenn nämlich ein Lohn um ein Drittel unter dem branchenüblichen Lohn liegt, ist das nicht mehr angemessen. Das nennt man Lohnwucher und kann Euch als untere Richtlinie dienen. Wenn Ihr könnt, versucht Eure üblichen Gagen zu verhandeln.

Bitte achtet auch auf das Gefüge im Team, damit nicht Einzelne mit schwacher Verhandlungsposition oder wegen kurzer Berufserfahrung weit unterhalb der bisherigen Tarifgage vergütet werden.

Solidarität ist besonders in diesen Zeiten unsere Stärke!

Mehrarbeitszuschläge

Die Zuschläge des alten TVFFS zu vereinbaren, macht wenig Sinn, da die Arbeitszeiten anders sind. Auf jeden Fall müsst Ihr beim Verhandeln der Gage klar definieren, wofür die Wochengage gilt! Z.B. „Die vereinbarte Wochengage gilt für 40 Arbeitsstunden an 5 Tagen in einer Kalenderwoche.“ Bei diesem Fall könnte man dann beispielsweise folgende Mehrarbeitszuschläge vereinbaren:

- 25% Zuschlag für die 9. und 10. Stunde am Tag (mehr als 10 Stunden sind verboten) und dazu 50% für den 6. Tag der Woche

 Alternativ könnte man auch Folgendes vereinbaren:

- 25% für die 41. - 48. Stunde pro Woche,  50% für die 49. - 60. Stunde pro Woche

 Alles hängt davon ab, welche Arbeitszeit zu welcher Gage Ihr verhandelt bekommt. Die besten Zuschläge bringen nichts, wenn die Gagenhöhe enorm gefallen ist.

Nachtzuschlag

Es gibt einen gesetzlichen Anspruch (ArbZG §6 Abs. 5) auf entweder Zuschläge bei Nachtarbeit oder entsprechend bezahltem Freizeitausgleich. Ihr könnt also beim bekannten System bleiben. Aber Nachtarbeit zählt gesetzlich nur zwischen 23:00 und 06:00 und erst wenn man mindestens zwei Stunden in dem Nachtzeitraum arbeitet.

Das Bundesarbeitsgericht hat geurteilt, dass neben einem Arbeitszeitausgleich auch ein Zuschlag für Nachtarbeit in Höhe von 25% als angemessen gilt. Bei regelmäßiger Nachtarbeit sogar 30%. Es ist allerdings fraglich, ob ein vier Wochen dauernder Dreh schon als regelmäßig zählt.

 Sams-, Sonn-, und Feiertagszuschlag

Dafür gibt es keinen gesetzlichen Anspruch. Sie können aber frei verhandelt werden. Besonders streitbar ist der Zuschlag am Samstag, da er nun als ganz normaler Werktag zählt. Trotzdem solltet Ihr versuchen ihn zu bekommen. Achtet auch hier wieder auf die vereinbarte Arbeitszeit, die am Besten auf fünf Tage die Woche verabredet sein sollte.

Sonn- & Feiertagsarbeit ist gesetzlich streng geschützt. Das galt auch mit dem TVFFS. Aber das ArbZG sieht für Arbeit an diesen Tagen nur einen Ersatzruhetag vor. Der darf sogar auf einem ohnehin freien Samstag oder sonstigem arbeitsfreien Werktag liegen, muss also nicht zwingend bezahlt sein. Also versucht auch hier, etwas in Richtung der alten Regelung zu verhandeln.

Wie immer gilt: Für konkrete Vertragsfragen und direkte Unterstützung, wendet Euch an die ver.di FilmUnion Gewerkschaftssekretär*innen! https://filmunion.verdi.de/ueber-uns/kontakt

Sie können Euch bei Verhandlungen auch direkt unterstützen, während wir hier nur allgemeine Infos geben können.

Die Produktionsfirmen sagen, sie könnten den TVFFS weiter anwenden?

Als der TVFFS noch gültig war, gab es einige strittige Punkte, in denen manche Produktionsfirmen und die ver.di FilmUnion unterschiedlicher Meinung waren bzw. verschiedene Rechtsauffassungen hatten. Das gilt natürlich in einer tarifvertragslosen Zeit genauso.

Wir hören von Euch, dass Produktionen, die gerade mit Crew-Mitgliedern verhandeln, sich weiter auf den TVFFS berufen wollen. Manche von ihnen beziehen sich dabei auf das Tarifvertragsgesetz §4 Abs. 5.

Wir haben aber mit der PA (Produktionsallianz) im TVFFS in Tarifziffer 20.2 vereinbart, dass dessen Bestimmungen ungültig werden, wenn die Verhandlungen als gescheitert erklärt wurden. Damit gilt §4 Abs. 5 des Tarifvertragsgesetz nur noch für Arbeitsverträge, die zum Zeitpunkt des erklärten Endes des Tarifvertrages schon bestanden.

Manche Produktionsfirmen geben auch detaillierte Begründungen an, nach denen TvG §4 Abs. 5 noch nichtmal greife, sondern der erste Satz von Tarifziffer 20.2 wirken würde. Im Klartext heißt das, sie behaupten, die Verhandlungen würden noch laufen und deshalb gelte der alte TVFFS auch noch.
Es ist richtig, dass die Tarifkommissionen von ver.di, BFFS und PA am 12. Oktober die Verhandlung wieder aufnehmen. Aber ist einmal das Scheitern erklärt, gilt der TVFFS nicht mehr, bis ein Neuer vereinbart wird.

Im Alltag hilft bei unterschiedlichen Rechtsauffassungen manchmal nur ein Kompromiss. Zumindest bis ein Gericht - nach einer Klage - die rechtliche Situation klar entscheidet.

Die ver.di FilmUnion unterstützt Mitglieder, jetzt wie immer, bei Vertragsverhandlungen. Auch bei der Suche nach so einem Kompromiss.

Für konkrete Vertragsfragen und direkte Unterstützung, wendet Euch an die ver.di FilmUnion Gewerkschaftssekretär*innen! https://filmunion.verdi.de/ueber-uns/kontakt

Lasst Euch nicht unterkriegen! ver.di steht an Eurer Seite!

Mit solidarischen Grüßen,
Eure ver.di FilmUnion Tarifkommission.