Neue Berufe in der Gagentabelle

Viel Lärm um's Licht

14.06.2018

In Beleuchterkreisen herrscht derzeit – vorsichtig ausgedrückt - große Aufregung wegen der nach mehreren Anläufen nun im Tarifvertrag für Filmschaffende endlich festgelegten Tarifgagen in der neuen Gagentabelle. Groß ist auch vor allem die - verständliche - Angst, die Produktionen könnten sich bei Vertragsverhandlungen nur noch auf diese neuen Werte beziehen und die üblichen, je nach Berufserfahrung individuell höheren Gagen würden unweigerlich sinken. Doch dies ist nicht die Funktion einer Gagentabelle und wurde in der Praxis bisher auch noch nie so gehandhabt:

Schon in der letzten Tarifrunde wurde versucht, neue Berufe in die Gagentabelle aufzunehmen. Die damals von der Produzentenallianz angebotenen Gagen wurden von unserer Verhandlungskommission jedoch als zu niedrig eingestuft, weshalb diese Forderung unsererseits nicht umgesetzt wurde. In der Folge hatten uns danach allerdings zahlreiche Beschwerden vor allem von Assistentinnen und Assistenten erreicht, dass sie zu Realgagen arbeiten würden, die noch weit niedriger selbst als die uns von den Produzenten zu Anfang in der Verhandlung angebotenen Gagen seien. Zudem bemängelten sie, dass auch die vom BVB ausgesprochenen Gagenempfehlungen keine Argumentationshilfe in den Gagenverhandlungen seien. Warum ist das so?

 

  • Gagenempfehlungen und Mindestgagen

    Gagenempfehlungen sind nicht verbindlich und keine Kalkulationsgrundlage für Produktionen. Sie sind Richtwerte für die Filmschaffenden darüber, was branchenüblich gezahlt wird und was sie in den Gagenverhandlungen verlangen können. Tarifliche Gagen sind hingegen Mindestgagen und sie sind rechtsverbindliche Untergrenzen - und zwar für die Produzenten. Das heißt, dass in keiner Produktion weniger als der in der Gagentabelle festgelegte Wert bezahlt werden darf. Die Mindestgagen sind deshalb ein Mittel, um dem Preisverfall in der Branche Einhalt zu bieten und ein Mindestniveau an Vergütung rechtsverbindlich festzulegen. Mit branchenüblicher Bezahlung hat das rein gar nichts zu tun. Vergleichen kann man das mit dem gesetzlichen Mindestlohn, der dazu dient, unterirdische Stundenlöhne von unter 8,84 Euro zu verhindern. Nach oben hin ist aber weiterhin alles offen, in der Filmbranche so wie in allen anderen Branchen. Die Gage ist also nicht nach oben gedeckelt, sondern nur nach untern abgesichert. In den Verhandlungen sollten sich die Filmschaffenden dann wiederum an die Gagenempfehlungen halten – so wie es andere Gewerke, die schon seit vielen Jahren mit Mindestgagen in der Tariftabelle verankert sind, seit jeher tun. Die tariflichen Mindestgagen sind also nur „ein Rettungsschirm“, wie es eines unserer Mitglieder formuliert hat.

     

 

In der aktuellen Tarifrunde hat sich die dafür zuständige Arbeitsgruppe daher entschieden, die Berufe zu den nun tarifierten Gagen in die Tabelle aufzunehmen. Und an den Beratungen mit der Produzentenallianz waren in dieser Arbeitsgruppe auch erfahrene Kollegen aus dem Beleuchterbereich beteiligt, die Mitglied in unserem ver.di-Tarifausschuss für Filmschaffende sind.

 

  • Wie verhandelt Ihr eigentlich, ver.di?

    Über die Art und Höhe der Forderungen in einer Tarifrunde entscheidet nicht eine Institution „ver.di“, sondern darüber entscheiden unsere Mitglieder. In den Tarifausschüssen engagieren sich Filmschaffende - wohlgemerkt ehrenamtlich - und sorgen damit für eine Tarifpolitik, die nah an der Realität unserer Mitglieder ist. Und so war es natürlich auch diesmal: Die Aufnahme der neuen Berufe in die Gagentabelle war eine bewusste Entscheidung des Tarifausschusses, unter Beteiligung von Beleuchter-Kollegen, die auch Mitglied im BVB sind – und die dabei eben auch den Unterschied zwischen einer Tariftabelle und einer Gagenempfehlung in Betracht gezogen haben.

     

 

Und BTW: Jede/r ist jederzeit herzlich eingeladen, selbst mit dabei zu sein! Die ver.di FilmUnion ist immer offen für neue Mitglieder, die uns bei unserer Tarifarbeit mit ihrer Erfahrung und Expertise aus dem Filmalltag unterstützen. Je mehr desto besser!

 

  • Wer arbeitet schon für Tarif?

    Kaum jemand mit einschlägiger Berufserfahrung arbeitet nach Tarif, und das ist auch gut so. Denn die Werte in der Tariftabelle stellen lediglich Mindestgagen dar. Allerdings wissen wir aus unseren Mitgliederberatungen, dass nicht alles Gold ist, was glänzt und die Gage in so manchem Vertrag nur scheinbar über Tarif liegt, weil vieles pauschal mit abgegolten ist. Nicht selten werden die tariflichen Mindestbedingungen dabei sogar unterschritten. Denn ob die Produktion es Pauschalgage, Grundgage oder Projektgage nennt, Fakt ist: Pauschalgagen, mit denen angeblich auch alle Mehrarbeitsstunden und Zuschlagsansprüche abgegolten sind, müssen besonders genau geprüft werden. Pauschalierungen sind nämlich nur zulässig, wenn sie für den/die Filmschaffende/n günstiger sind als die tariflichen Leistungen. Der Anteil der Gesamtgage für die Mehrarbeit muss zudem deutlich erkennbar sein. Das gilt auch für die Zuschläge. Denn nur so kann man sicher sein, ob die Pauschalgage besser ist als die tarifliche Gage plus aller Zuschläge.

     

 

Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass wir gerade eine Sicherung gegen die bei (nicht tarifgebundenen) Produzenten verbreitete „Rosinenpickerei“ von einzelnen Bestimmungen aus den tariflichen Arbeitszeitregelung im TV FFS durchsetzen konnten. Das heißt nur bei Einhaltung von Tarifgagen, Zuschlägen und Zeitkonto dürfen die besonderen Arbeitszeiten in Verträgen mit Filmschaffenden überhaupt vereinbart werden.

Neu in die Gagentabelle aufgenommen wurden übrigens auch andere Berufe, darunter Sounddesign und 2. Tonassistenz. Das begrüßte die Berufsvereinigung filmton bvft als „Sensation“: „Als wir uns vor 15 Jahren mit der Idee einen Verein zu gründen trafen, war die Einführung eines Mindesttarifs eine der grundlegenden Überlegungen, um den Preisverfall in der Filmtonpostproduktion aufzuhalten. Mit der Aufnahme des Sounddesigns in die Gagentabelle des Tarifvertrags ist nun nach mehrmaligen, schwierigen Verhandlungen, eines der ursprünglichen Ziele, das zur Gründung der bvft führte, erreicht worden. Erstmalig ist damit Schwarz auf Weiß festgesetzt, was für die Arbeit von hochspezialisierten Sounddesignerinnen und Toneditoren mindestens bezahlt werden muss“, führte bvft-Vorstandsmitglied Kirsten Kunhardt aus.

Und doch liegen auch in diesem Gewerk die Gagenempfehlungen des Verbands bvft sowie die Realgagen der Kolleginnen und Kollegen selbstverständlich deutlich über den Tarifgagen für Sounddesign und Toneditoren.

 
Eine Glühbirne in einer mit weißer Kreide auf einer schwarzen Tafel gemalten Sprechblase
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