Mit einer vorläufigen Tarifeinigung zu Arbeitszeiten, Zuschlägen, Altersvorsorge in der Pensionskasse Rundfunk, Gagenerhöhungen, Schauspiel-Tarifvertrag und Nachwuchsfilm-Tarifvertrag werden neue Grundlagen für bessere Arbeit in Filmproduktionen geschaffen.
Zum Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz steht eine Einigung noch aus.
In der achten Tarifverhandlungsrunde für die rund 25.000 Filmschaffenden konnten am 16. Juli zwischen der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), der Schauspielgewerkschaft BFFS und der Produzentenallianz Eckpunkte für eine vorläufige Tarifeinigung verabredet werden, die zwischenzeitlich von der Tarifkommission in ver.di beraten worden ist. Eine endgültige Entscheidung darüber steht aber noch aus. Mit diesen vorläufigen Tarifergebnissen ist keine Seite voll zufrieden, auch die ver.di-Tarifkommission nicht. Dass wichtige Schritte zu Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in einigen Bereichen gemacht werden konnten, lässt die Tarifkommission zuversichtlich Richtung baldigen Abschluss blicken. Dass sie überhaupt erreicht werden konnten, ist auch den guten Beteiligungen an Aktionen zu verdanken, zur Berlinale und anlässlich von Tarifverhandlungsterminen, die einen starken Eindruck bei der Produktionsallianz hinterlassen haben. Nach zähen Verhandlungen über Monate hinweg konnten Eckpunkte für die verschiedenen Tarifbereiche -teilweise ganz neue- geeint werden.
Ausweitung der betrieblichen Altersvorsorge
Bisher gab es nur für öffentlich-rechtliche Auftragsproduktionen eine betriebliche Altersvorsorge und nur für diejenigen, die Mitglied der Pensionskasse Rundfunk waren. In diesen Fällen wurden die Zuschüsse der Arbeitgeberseite in Höhe von 4 Prozent der Gagen von öffentlich-rechtlichen Sendern erstattet (Limburger Lösung nannte sich diese Branchenabsprache). Nun wurde der Abschluss eines Tarifvertrages über die betriebliche Altersvorsorge vereinbart, der ungeachtet der Auftragssituation einer Produktion den Anspruch auf die Altersversorgung in der Pensionskasse Rundfunk und einen Zuschuss seitens des Arbeitgebers regelt. Damit werden Lücken beim Aufbau der Altersversorgung vermieden, weil aus allen fiktionalen Produktionen - egal ob für Privatsender, Streamingdienst, einen Kinofilm oder für ARD/ZDF - Beiträge und Zuschüsse zu zahlen sind. Das gilt auch für dokufiktionale Formate, hier für den fiktionalen Teil der Dokumentation. Damit wird die private Absicherung für Filmschaffende gegen Altersarmut erheblich gestärkt.
Die tarifvertragliche Altersversorgung wird nach dem System der Entgeltumwandlung durchgeführt, so dass die Beiträge der Filmschaffenden steuerfrei und abgabenfrei bleiben. Zu versteuern ist dann die Gage, die um die vier Prozent Beitragszahlung an die Pensionskasse reduziert ist. Jede/r Filmschaffende kann sich entscheiden, in diese tarifvertragliche Altersversorgung einzusteigen (Opt-in) und bekommt danach regelmäßig im Arbeitsvertrag diese betriebliche Altersvorsorge verbindlich angeboten.
Eine Besonderheit gibt es bei Produktionen außerhalb von Aufträgen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. In diesem Fall werden die Arbeitgeberzuschüsse in die betriebliche Altersvorsorge auf der Gagenhöhe der Beitragsbemessungsgrenze in die Rentenversicherung gedeckelt (aktuell 7550 Euro in West bzw. 7450 Euro in Ost). Das gilt für jede Produktion in einem Kalendermonat der Gagenabrechnung.
Dieser Tarifvertrag soll ab Januar 2025 in Kraft treten, damit alle organisatorischen Vorbereitungen für diese grundlegende Neuerung vorgenommen werden können.
Außerdem werden die Tarifparteien die sog. Allgemeinverbindlichkeit für diesen Tarifvertrag beantragen, damit auch für nicht tarifgebundene Filmproduktionen diese Alterssicherung verbindlich gilt.
Arbeitszeiten werden kürzer und verteuert
Mit der möglichen Tarifeinigung werden Arbeitszeiten verkürzt und ein Einstieg in kürzere Wochenarbeitszeiten geschaffen. Außerdem sollen neue Zuschläge tägliche Überstunden verteuern. Es gibt keine 13. Stunde mehr. Jede elfte Stunde pro Tag wird mit einem Zuschlag von 25 Prozent vergütet. Jede zwölfte Stunde pro Tag wird mit 50 Prozent Zuschlag und in jedem Fall mit einem zusätzlichen Stundenlohn vergütet - ist also nicht mehr verrechenbar.
Der Einstieg in die Vier-Tage-Woche soll durch einen zusätzlichen bezahlten und arbeitsfreien Tag (“Arbeitszeitverkürzungstag“) erreicht werden, der für jeden Produktionszeitraum von mindestens 21 Drehtagen gilt und muss zwischen dem zweiten bis 16. Drehtag einer jeder dieser Drehphasen gewährt werden. Lediglich bei Reiseproduktionen kann dieser Tag ans Ende der Produktion gelegt werden. Planbar wird die Arbeitszeitverkürzung durch die vorherige Vorlage der Wochendispo fünf Tage vor dem Beginn einer nächsten Arbeitswoche sowie die Vorabinformation über den Drehplan.
Die Wochenarbeitszeit von über 50 Stunden wird mit einem Zuschlag von 25 Prozent und ab der 56. Stunde mit 50 Prozent vergütet.
Die Laufzeit dieser Arbeitszeitregelung und des gesamten Manteltarifvertrages soll bis Ende August 2027 dauern.
Gagenerhöhungen
Verglichen mit diesen bereits erheblich geldwerten Leistungen fällt die Gagenerhöhung mit je 2,5 Prozent Erhöhung ab März 2025 und Januar 2026 weniger stark ins Gewicht. Die Laufzeit des Gagentarifvertrages dauert bis Ende 2026 und soll bereits ab September neu verhandelt werden, damit eine nächste Erhöhung ab Anfang des Jahres 2027 eintritt.
Verbesserungen für Schauspieler*innen
Für Schauspieler*innen gilt ein Tarifvertrag mit speziellen Bestimmungen seit 2014. Geeinigt wurde sich jetzt von allen Tarifparteien auf eine Neuregelung des E-Casting zugunsten der Schauspieler*innen. Die Fristen für die Einreichung von Casting-Aufnahmen dürfen 72 Stunden nicht unterschreiten und sollen keine Wochenendtage beinhalten. Der Umfang des Castings soll acht Drehbuchseiten nicht überschreiten. Es reichen technisch einfache Aufnahmen mit einem Smartphone und können auch ungeschnitten eingereicht werden.
Vereinbart wurde auch eine Erhöhung der zuletzt im April 2020 angehobenen Berufseinstiegsgage, die künftig 1050 Euro je Drehtag betragen soll. Nach einem fünften Drehtag einer Produktion kann für Berufseinsteiger*innen eine Gage von mindestens 900 Euro gezahlt werden.
Auch für diesen neuen Schauspieltarifvertrag gilt eine Laufzeit bis Ende 2026.
Neuer Nachwuchsfilm-Tarifvertrag
Neu aufgelegt wird der schon einmal als Pilotregelung bis Ende 2020 geltende Nachwuchsfilm-Tarifvertrag. Damit sollen für tarifgebundene Produktionsfirmen beim Dreh von Nachwuchsfilmen (erster oder zweiter Film für die Regisseurin/den Regisseur) verbindliche Mindestregeln gelten. Die Gewerkschaften BFFS und ver.di sind über die Produktionen unter Anwendung dieses Tarifvertrages zu informieren.
Je nach Budgethöhe (TV 90-Minüter und längere Kinofilme) bei 1,45 Mio. bis 1,25 Mio. Euro gelten mindestens 80 Prozent der Tarifgage, bei 1,25 Mio. bis 1 Mio. Euro mindestens 65 Prozent der Tarifgage und bei 750.000 bis 1 Mio. Euro mindestens 50 Prozent der Tarifgage. Der gesetzliche Mindestlohn gilt in jedem Fall und die Gagen müssen wie üblich monatlich gezahlt werden. Rückstellungen sind unzulässig. Für Schauspieler*innen gilt eine reduzierte Gagenuntergrenze von 850 Euro Drehtagsgage.
Hat ein Nachwuchsfilm wirtschaftlichen Erfolg, gilt eine Mitteilungspflicht, die auch zum Ausgleich der Differenz zur Tarifgage genutzt werden soll.
Erfasst werden von diesem Tarifvertrag auch Miniserien, deren Budgets für je 90 Minuten berücksichtigt werden. Ausgenommen sind vollfinanzierte Produktionen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, deren Finanzierungsanteil am Budget höchstens 80 Prozent betragen darf.
Die Laufzeit dieses Tarifvertrages endet mit der des Manteltarifvertrages Ende August 2027.
Noch keine Einigung auf einen KI-Tarifvertrag
Die Tarifparteien arbeiten zu diesem Thema aktuell inhaltlich und redaktionell in einer Arbeitsgruppe und streben die Errichtung eines Tarifvertrages über den Einsatz von Generativer KI im Sommer 2024 an.